Erschienen in BIG #123 10/2022

Nur die Hälfte der Spielerinnen in der 1. DBBL kommt aus Deutschland, in der zweiten Liga sind das noch deutlich mehr. Warum bleibt der Nachwuchs nicht? BIG hat sich genauer angesehen, wie die Förderung junger Spielerinnen hierzulande funktioniert – und wo die Probleme liegen.

Talente gesucht! Während zwischen sieben und 14 Jahren mehr als 18.000 Mädchen in Deutschland Basketball spielen, geht die Zahl in den höheren Altersklassen stark zurück und stagniert bei rund 7.000 weiblichen Mitgliedern in deutschen Basketballvereinen.[1] „Erst einmal muss es darum gehen, so viele Mädchen wie möglich in die Halle zu bringen“, sagt Tim Michel, Trainer der Young Dolphins beim BC Marburg, auf die Frage nach der Nachwuchsförderung im Basketball der Damen. „Dazu bieten wir zum Beispiel Trainings an Schulen an. Allerdings geht es dabei weniger darum, unbedingt einen Ball in den Korb zu werfen, sondern viel mehr um den Spaß an der Bewegung.“

Motorische Grundbedürfnisse wie laufen, springen, werfen, klettern und das Wetteifern mit anderen Kindern sind die Grundlage dafür, dass später talentierte Basketballerinnen entstehen. Die kindliche Bewegungsförderung stehe am Anfang jeder Spitzensportkarriere, schreibt auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in einer Studie. Die sportartspezifische Talentsichtung und -förderung beginnt dann erst später. Bei den Mädchen des BC Marburg ab der U14 und dann verstärkt in der Weiblichen Nachwuchs Basketball Liga (WNBL).

Profibasketball bedeutet Opfer bringen

Doch Tim Michel sieht hier eine große Herausforderung: Nicht viele Spielerinnen sind bereit, die großen Opfer zu bringen, die eine Sportkarriere mit sich bringt. „Profibasketball ist ein enormer Zeitaufwand, zumal die Frauen damit nicht ihren Lebensunterhalt verdienen. Daher müssen sie eine Kombination finden aus Basketball und einer beruflichen Zukunft.“ Aufgabe der Vereine ist es auch, den Spielerinnen auf diesem Weg zur Seite zu stehen.

Bei ALBA Berlin übernimmt das Ireti Amojo. Die ehemalige Bundesliga-Spielerin, unter anderem für den Herner TC und später für ALBA Berlin in der zweiten Liga, hat vor zwei Jahren die strategische Koordination des Mädchen- und Frauenbasketballs im Verein übernommen. Die 32-jährige Berlinerin will dabei einen Fokus auf die Laufbahnberatung legen. „Viele Spielerinnen haben durch Schule, Studium oder Beruf eine Doppelbelastung und ich schaue darauf, dass sie abseits vom Feld gut versorgt sind. Unsere Idee ist, die Leistungssportlerinnen ganzheitlich zu betreuen.“

Das heißt: sportpsychologische Betreuung schon ab der U16, Maßnahmen zur Teambildung, individuelle Sportangebote, schulische Betreuung. Was Letzteres angeht, besteht bei einigen DBBL-Vereinen die Möglichkeit, Sportschulen zu besuchen. Auch bei ALBA. „Dort ist die schulische Betreuung dann sowieso enger“, sagt Amojo. „Aber gerade bei den anderen ist es besonders wichtig rechtzeitig zu wissen, ob sie in einem Fach Nachhilfe oder anderweitige Unterstützung benötigen.“ Dazu kooperiert der Berliner Verein beispielsweise mit einem Nachhilfe-Anbieter.

Professionelle Strukturen der USA als Vorbild

Als Laufbahnberaterin ist Amojo für die Spielerinnen, die eine Karriere im Basketball anstreben, eine wichtige Wegbegleiterin. „Im Vergleich zu den anderen Erfahrungen, die ich bisher auch selbst gemacht habe, ist ALBA in der Nachwuchsförderung der am stärksten professionalisierte Verein in Deutschland“, sagt Amojo. Die Flügelspielerin entschied sich in ihrer aktiven Karriere selbst für den Schritt ins Ausland und spielte zwischen 2009 und 2013 während ihres Studiums an der Washington State University. „In den USA gibt es für Spielerinnen ganz andere Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Akademische Berater, Ernährungsberater, andere Trainingsmöglichkeiten – das ist sehr professionalisiert und diese Lücken will ich bei ALBA schließen.“

Mehrfach wurde ALBA Berlin schon im Rahmen der BBL-Nachwuchszertifizierung ausgezeichnet. Die Mädchen und Frauen profitieren von den Netzwerken und Strukturen der männlichen Jugend- und Profiteams. Bei einigen anderen Vereinen der DBBL sieht Amojo diesbezüglich noch großen Bedarf. „Die Vereine müssen einen Fokus darauflegen, die Spielerinnen auch bei einer akademischen und beruflichen Laufbahn zu fördern.“ Für deutsche Basketballerinnen, die ihre Karriere hierzulande verfolgen möchten, sei das die Basis für Erfolg.

Nur 50 Prozent deutsche Spielerinnen in der 1.DBBL

Auch für Nachwuchs-Talent Maria Neumann ist das die Voraussetzung, damit sie im Profibasketball Fuß fassen kann. Die 16-Jährige gehört seit der vergangenen Saison zum Trainingskader der Bundesliga-Mannschaft der GISA LIONS Halle, spielt für den Verein in der Regionalliga und WNBL. Auch wenn sie früher mal davon geträumt hat, in den USA zu spielen, will sie jetzt lieber in Deutschland bleiben. Dass sich nicht alle Spielerinnen für eine Karriere hierzulande entscheiden, zeigen die Zahlen der ersten Bundesliga: Nur die Hälfte der Spielerinnen haben einen deutschen Pass, mehr als 22 Prozent kommen sogar von außerhalb der EU. Im Vergleich dazu spielen in der 2. DBBL fast 90 Prozent deutsche Spielerinnen.

Einen Beruf lernen, später eine Familie gründen – und wenn möglich, weiter auf Leistungsniveau Basketball spielen. „Als Frau ist es in Deutschland schwierig, sportlich Karriere zu machen und davon leben zu können. Daher will ich unbedingt studieren oder einen Beruf erlernen“, sagt Neumann. Derzeit macht sie ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und kann sich daneben voll aufs Basketballspielen konzentrieren.

Sportschule als wichtiger Karriereschritt

Schon mit neun Jahren kam Maria Neumann, inspiriert durch ihren Vater, zum Basketball. In der sechsten Klasse wechselte sie auf eine Sportschule – ein wichtiger Schritt für die talentierte Spielerin. „Hätte ich das nicht gemacht, würde ich heute nicht da sein, wo ich jetzt bin“, ist sie überzeugt. „Ich habe durch das Individualtraining viel schneller gelernt, mit dem Ball umzugehen.“ Diese Basis hat ihr geholfen, mit 16 Jahren in der Bundesliga-Mannschaft mittrainieren zu können. Von ihren Teamkolleginnen schaut sie sich jetzt viel ab und wird von den Trainern so gefördert, dass sie womöglich in ein, zwei Jahren auch bei Bundesliga-Spielen auf dem Court stehen darf.

Neben Eltern und Lehrern sind die Trainer wichtige Bezugspersonen und Wegbereiter im Nachwuchsleistungssport. Tim Michel, der die Zweitliga-Mannschaft des BC Marburg übernommen hat, sieht in Bezug auf die Entwicklung von jungen Spielerinnen die Kommunikation unter den Trainern eines Vereins als entscheidende Grundlage. „Nur wenn sich jeder Trainer als Teil des Ganzen versteht, macht das für mich Sinn. Wenn jede Mannschaft im Verein ihr eigenes Ding macht, funktioniert das für die Spielerentwicklung nicht.“ Daher stimmt er sich eng mit Patrick Unger, Trainer der Mannschaft der 1. DBBL, und WNBL-Trainerin Maria-Angelina Sola ab.

Andere Teams, selbe Spielsysteme

Die Ziele werden dabei an der ersten Mannschaft ausgerichtet. Das heißt für die anderen Teams und ihre Trainer, dass sie manchmal auch zurückstecken müssen. „Daher ist es umso wichtiger, dass wir miteinander sprechen und verstehen, warum“, sagt Michel. Für das Training der Mannschaften bedeutet diese Ausrichtung, dass überall ähnliche Spielsysteme geübt werden. Das macht es für die Spielerinnen einfacher, von einer in die andere Liga zu wechseln. Auch wenn es in der DBBL dann härter und schneller ist als in der WNBL – das Fundament bleibt dasselbe.

In der zweiten Bundesliga spielen zahlreiche junge Nachwuchstalente. Etwa ein Viertel der gemeldeten Spielerinnen in dieser Saison ist jünger als 18 Jahre. Doch nur wenige Vereine haben sowohl eine Mannschaft in der ersten als auch in der zweiten DBBL, neben Marburg nur der Herner TC und die USC Eisvögel Freiburg. Auch in der WNBL sind viele Bundesliga-Vereine nicht vertreten. Das macht es den jüngeren Spielerinnen schwieriger, den Schritt in die erste Bundesliga zu wagen.

Eine Frage der Spielpraxis

Wenn Spielerinnen aus Michels Team Ambitionen haben, in die erste Mannschaft zu wechseln, gibt es für sie einen zusätzlichen Plan beim Krafttraining und Individualtrainings in Kleingruppen. So kann an Feinheiten der individuellen Spielerin gearbeitet werden. Die Intensität dagegen ist für Michel keine Frage der Liga. „Klar ist die erste Bundesliga physischer und schneller. Das liegt aber weniger daran, dass die einzelnen Spielerinnen schneller sind, sondern dass sie Situation schneller erkennen.“ Und um das zu lernen, hilft so richtig nur eines: spielen, spielen, spielen.

Hier liegt für Michel die größte Herausforderung in der sportlichen Nachwuchsförderung, egal, ob bei Jungen oder bei Mädchen: „Die jungen Talente brauchen Spielzeit und müssen Verantwortung übernehmen. Sie sollen nicht einfach nur mit Profis mitlaufen.“ Daher setzt er in seinem Team auch nur eigene Nachwuchsspielerinnen ein und holt sich nicht die ein oder andere Profi-Basketballerin dazu. In dieser Saison wird es für die Young Dolphins als eines der jüngsten Teams der Liga daher vor allem darum gehen, den Klassenerhalt zu schaffen. Und für die ein oder andere Spielerin womöglich darum, in die Bundesliga aufzusteigen.

[1] https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Bestandserhebung/BE-Heft_2022.pdf