Kai Erlenhardt (37) war zuletzt Videocoach bei den Augsburger Panthern, nun ist er Cheftrainer der ECDC Memmingen Indians Frauen. Im Interview spricht er über seine Sicht auf Fraueneishockey, das Olympia-Jahr und die Zukunft von Memmingen.

Kai, was zieht dich nun in die DFEL?

„Die Tätigkeit in der DEL war für mich äußerst wertvoll – ich konnte nicht nur fachlich wachsen, sondern auch ein belastbares Netzwerk aufbauen. In Memmingen kann ich nun meine Erfahrungen in einem spannenden und ambitionierten Umfeld weitergeben. Außerdem hat mich die Herausforderung gereizt, die dort auf mich wartet. Im Olympia-Jahr müssen wir drei verschiedene Gruppen unter einen Hut bekommen: die Olympionikinnen, die jungen Talente und die erfahrenen Spielerinnen, die aber international keine großen Ambitionen mehr haben.“

Lassen sich dabei deine Erfahrungen aus dem Männerbereich 1:1 übertragen?

„In vielerlei Hinsicht lassen sich Prinzipien und Inhalte aus dem Männerbereich übertragen. Dennoch gibt es im Fraueneishockey strukturelle Unterschiede, die man nicht außer Acht lassen darf. Der sportliche Alltag ist stark vom Engagement der Personen im Verein geprägt. Deshalb ist es wichtig, sensibel und anpassungsfähig an die Gegebenheiten heranzugehen.“

Das mit dem Engagement hat man auch in Düsseldorf gesehen.

„Ja, ich war damals am Aufbau des Frauenteams beteiligt, doch nach meinem Weggang wurde es leider wieder aufgelöst. Dass es nach dem Rückzug von Bergkamen aktuell keine Bundesligamannschaft mehr in ganz NRW gibt, zeigt, dass die Rahmenbedingungen nach wie vor herausfordernd sind. Die Einbindung von Teams aus dem Ausland unterstreicht zusätzlich, dass wir strukturell noch nicht da sind, wo wir hinwollen.“

Was müsste passieren, damit sich das ändert?

„Ich denke, dass vor allem die DEL-Vereine in die Pflicht genommen werden müssen, mehr Fokus auf Fraueneishockey zu legen. Sie haben die Strukturen und die Lobby in den Städten.“

Das wird nicht überall funktionieren …

„Nein, wenn man etwa wie Augsburg gegen den Abstieg kämpft, investiert man womöglich lieber in einen neuen Spieler, das verstehe ich. Und natürlich kannst du nicht überall eine Frauenmannschaft auf Bundesliganiveau bringen, da fehlen einfach die Spielerinnen. Du musst erst einmal im Nachwuchs anfangen, die Spielerinnen zu entwickeln. Und die müssen dann auch Leistung bringen, denn nur dann kann man auch etwas einfordern. Dabei sehe ich vor allem die Nationalmannschaft als Aushängeschild.“

Zum Beispiel bei Olympia 2026 in Mailand.

„Richtig, und da in Memmingen die meisten Nationalspielerinnen im Kader stehen, werde auch ich mich daran messen, wie sich das Team in Mailand präsentiert. Ich sehe mich in der Pflicht, hier mit Jeff (MacLeod, Anm. d. Red.) zusammenzuarbeiten, denn er wird die Mädels nur sporadisch bei Maßnahmen haben und die Hauptaufgabe liegt bei uns Vereinstrainern. Daher ist die Verantwortung in dieser Saison relativ groß.“

Wie gehst du deine neue Aufgabe an?

„Aktuell mache ich viel Schreibtischarbeit und scoute. Im Staff war mir wichtig, einen Videocoach zu haben, der während der Spiele Livecuts macht. Den haben wir mit Janik Beichler nun gefunden. Durch seine Arbeit gewinnen wir neue Tiefe in der Spielanalyse und können unsere Trainings- und Spielsteuerung noch präziser ausrichten.“

Und willst du auch am Spiel grundlegend etwas verändern?

„Im Fraueneishockey wird meist mit drei Sturmreihen gespielt, ich hätte aber gerne vier. Das bringt deutlich mehr Geschwindigkeit und bietet ein Riesenpotenzial. Ich hätte dazu gerne drei gleichwertige Sturmreihen plus eine vierte, die sich aus Nachwuchsspielerinnen zusammensetzt. Für die Mädels wird das im Spiel eine große Umstellung sein, es kann aber zum Gamechanger werden.“

Dann dürften die Titelambitionen in der Liga ja klar sein.

„Natürlich haben wir vor, die entsprechenden Titel zu holen. Mein Ziel ist aber vielmehr, in Memmingen ein Entwicklungskonzept für zwei Zielgruppen aufzubauen: ein Perspektiv- und ein Performanceteam. Wir müssen uns für die Zukunft so professionell wie möglich aufstellen, denn auch wir können in eine Drucksituation kommen. Zum Beispiel dann, wenn irgendwann auch Red Bull München oder die Augsburger Panther ein Team stellen. Da müssen wir uns in Memmingen die Frage stellen, wie wir das lösen. Und das geht nur mit einem nachhaltigen Konzept – sportlich und finanziell.“

Erschienen in Eishockey News